Eggensteiner „Belle“ erlebte mit legendärer Pappel einst touristische Höhepunkte
Von Alexander Werner Langfassung von Beiträgen der Badischen Neuesten Nachrichten vom April 2019, letzte Erweiterung am 17. Mai 2019.
Mit
der „Belle“ besitzt Eggenstein ein beschauliches Plätzchen am Rhein. Seit langer
Zeit zieht es Ausflügler aus der ganzen Gegend an.
Die im Mai 2014 von der Gemeinde vollendete Renaturierung des Albkanals wertete das weitere Areal noch erheblich auf. Die historische, eiserne „Bellebrücke“ über den Albkanal war 2013 abgebrochen und durch eine neue Wirtschaftswegbrücke ersetzt worden. Der Albkanal beginnt kurz vor der Mündung der Alb beim Ölhafen und fließt dreieinhalb Kilometer weiter nördlich über den Pfinzentlastungskanal in den Rhein. Seit ein Entnahmebauwerk im Hochwasserdeich erstellt wurde, strömt auch Rheinwasser durch den Kanal. Mit der Renaturierung wurde der Kanal auf einer Strecke von zwei Kilometern verengt. Nebenrinnen wurden gegraben und Totholz eingebracht. Damit entstanden neue, wertvolle Lebensräume für typische Auenbewohner.
Seit
Jahrzehnten veranstaltet der Eggensteiner Musikverein „Lyra“ im Mai bei großem
Zuspruch das „Bellefest“. Trotz diverser witterungsbedingter Ausfälle bewahrte
der Verein diese Tradition. Wie in der Vereinschronik zu lesen ist, habe die
„Lyra“ schon 1928 unter dem Motto „Ausflug an die Belle“ Events mit
Platzkonzert geboten. Zeitgenössische Zeitungsberichte ließen sich nicht
finden.
Allerdings
liefern Originaldokumente aus Kurt Kiefers Archiv detaillierte Informationen
zum Event. Der Eggensteiner war später 18 Jahre Kassierer des Vereins. Die
Karlsruher Brauerei Fels bestätigte der „Lyra“ in einem Brief an Albert
Schnürer vom 12. Mai, dass sie den am 27. Mai 1928 stattfindenden Ausflug mit Bier und Wirtschaftsgerät beliefern werde. Konkret waren das 800 bis 1000 Liter
helles Lagerbier in rund 40 bis 50 Liter haltenden Fässern. Zum Tag der
Lieferung gelte der Verbandspreis von 35 Reichsmark pro Hektoliter
ausschließlich Biersteuer. Das zum Kühlen nötige Eis komme auf zehn Pfennig pro
Barren. Leihweise ohne Berechnung stellte die Brauerei zwölf Waldfestbänke,
zwei Anstichhahnen, zwei Ventile und zwei Klopfhölzer zur Verfügung. Die Miete
für 300 Zweiliterkrüge betrug fünf Pfennig pro Stück. Angeliefert wurde alles
am Vortag bei Wirt Ludwig Endle. Eventuelle Ausbesserungsarbeiten für
beschädigte Bänke würden zum Selbstkostenpreis berechnet, so Fels. Aus dem
Schreiben geht weiterhin hervor, dass Bürgermeister Wilhelm Stern und Karl
Friedrich Schäfer die Bürgschaft in selbstschuldnerischer Weise übernommen
haben.
Belegt ist, dass der Verein hohe Wertschätzung über den Ort hinaus erfuhr. Zum Ausdruck brachte das im Juni 1927 das Karlsruher Tagblatt in einem Betrag über den „Musikerwettstreit“ mit auswärtigen Gastvereinen in Eggenstein. Hervorgehoben wurde, dass die „Lyra“ an diesem „Ehrentag“ Jubiläum feierte. An welchem Jahr sich dieses festmachen könnte, erwähnte die Zeitung nicht. Allerdings wird, der Rede des damaligen Festpräsidenten Theodor Seufert folgend, die Chronik angerissen. Demnach wurde 1864 mit der Feuerwehr eine Musikkapelle gegründet. Störend hätten die Kriegsjahre 1870/71 in die Entwicklung eingegriffen, die erst 1875 wieder an das Erreichte angeknüpft habe. 1924 konstituiert sich die „Lyra“ schließlich als Musikverein mit begleitender Feier des 60. Feuerwehrgeburtstags. Möglicherweise feierte der Verein 1927 schlicht zeitversetzt seine Ursprünge nach. Damals ging es an der „Belle“ bereits wieder ruhiger zu.
In den 1890er-Jahren hatte der
Ausflugsbetrieb am Platz seine absoluten Höhepunkte erlebt. Jetzt recherchierte
Zeitungsberichte aber belegen einen weitaus früheren Tourismusverkehr an der
„Belle“. Am 8. September 1857 ließ die Karlsruher Zeitung eine „heitere
Sängerfahrt“ des Gesangvereins „Liederhalle Karlsruhe“ Revue passieren. Von
Maximiliansau aus ging es „mit bewimpelten Schiff“ unter Liederklang auf dem
Fluss nach einem auf Höhe von Eggenstein gelegenen, „Bell“ genannten „Uferpunkte“.
Der Artikel gibt Ausschluss über dessen Bedeutung und Aussehen. Die „Bell“ sei
ein von der großherzoglichen Wasser- und Straßenbaudirektion angelegter
Stationsplatz für Uferbauten, hieß es. Es sei ein äußerst idyllischer Punkt,
mit einem einfachen Haus, Mooshütten und -bänken, Wald- und Gartenanlagen.
Bewohnt werde er vom Stationswart, einem würdigen Veteran aus Zeiten der
napoleonischen Kriege.
Es
sei ein schöner Punkt an dem vaterländischen Strome, der gerade dort durch interessante
Wasserbauten bezwungen worden sei, mit herrlichem Laubschatten und einer
schönen Aussicht auf die jenseitigen Gebirge. So mag es auffallen, dass dieser
so wenig gekannt und besucht sei, vermerkte der Autor. Schon die gewaltige und
eigentümliche Pappel, von der der Ort seinen Namen habe, sei für den Freund der
Natur eines Besuchs wert. Tatsächlich wurden schon seit Jahrhunderten speziell
Schwarzpappeln „Bellen“ genannt. Wenngleich der Begriff mundartlicher,
pfälzischer Herkunft war, verwendete ihn auch der Forst etwa bei
Holzversteigerungen. Demnach wurde der ab der Zeit um 1860 fast nur noch als
„Belle“ erwähnte Ort Mitte des 19. Jahrhunderts von Auswärtigen noch seltener
frequentiert. Der Artikel gab jedoch einen Vorgeschmack auf das Kommende. Der
wackere Dammmeister Neck habe Tische und Bänke, Speis und Trank besorgt, war
weiter zu lesen. Mehrere muntere Jagdgesellen seien dazugekommen. Deren
Büchsenknall habe dem Hoch der Toaste einen verstärkten Nachdruck verliehen.
Gerstensaft sei als wichtiges Requisit aller Sängerfahrten reichlich geflossen.
Das Amt des Dammmeisters lag über 100 Jahre bis um 1870 in der Familie Neck. Er
kam grundsätzlich aus dem Ort und hatte die Aufsicht über die Wasserwehr und
die Rheindämme. Zurück ging es für die Gruppe nach Karlsruhe dann von
Eggenstein aus per „Omnibus“. Dieser
Begriff kam bereits um 1825 in Paris auf und wurde für größere Kutschen
gebräuchlich – allerdings nicht für Postkutschen. Mit der Motorisierung wandelte
er sich dann zu Kraft- oder Motoromnibus.
Maximiliansau hatte eine besondere Bedeutung für den Schiffsverkehr. 1844 wurde berichtet, dass der Freihafen von Leopoldshafen bis in jüngste Zeit stark besucht gewesen sei, weil dort die Dampfschiffe landeten. Seit der Errichtung der Knielinger Rheinbrücke 1840 habe sich jedoch aller Verkehr nach Maximiliansau gezogen. Deswegen sei auch das Hauptsteueramt von Leopoldshafen dorthin versetzt worden. 1833 hieß es, dass die Rheinische Dampfschifffahrtsgesellschaft täglich mit fünf Dampfschiffen in Leopoldshafen lande. 1845 wurde vermerkt, dass es im Weiler Maximilansau außer einer Badeanstalt noch andere Gebäude wie ein Zollhaus und eine Wohnung der Agenten der Kölnischen und der Baslerischen Rheinschifffahrtsgesellschaft mit Passagierplätzen und Büreaus gebe. Denn in der Nähe befänden sich die neue, auf 36 Pontons ruhende Rhein-Schiffbrücke und der Landungsplatz der Dampfschiffe. Die Kölnische Gesellschaft warb in Zeitungen eifrig für ihre täglichen Fahrten ab Maximiliansau mi drei Schiffen. Im Juni 1841 etwa für solche zwischen Straßburg und Köln oder 1845 nach Mannheim, Köln, Bingen, und Mainz. An der „Belle“ wurde eventuell nur bei Bedarf Halt gemacht. Ein Beitrag der Karlsruher Zeitung vom 1. Juli 1858 lässt auf einen dort anziehenden Besucherverkehr schließen. Der Landwirtschaftliche Bezirksverein Karlsruhe hielt am Peter- und Pauls-Tag seine Hauptversammlung an der „Bell“ ab, an der „bekannten Rheinbau-Hütte bei Eggenstein“. Mit drei großen, festlich beflaggten Schiffen sei die Gesellschaft von der Rheinbrücke aus an die „Bell“ gefahren. Dort sei sie bereits von einer großen Menge von Vereinsmitgliedern aus anderen Teilen des Bezirks und vielen Einwohnern umliegender Ortschaften erwartet worden. Unter Böllersalven habe die Landung stattgefunden. Mit dabei war eine stattliche Zahl von Federvieh. Etliche 30 Paar Hühner, Enten, Gänse und Perlhühner seien herbeigeschafft und unter den Mitgliedern verlost worden, wurde berichtet. Verbunden gewesen sei die Verlosung mit der Verpflichtung, die gewonnenen Tiere wenigstens ein Jahr lang zur Züchtung im Amtsbezirk zu verwenden. Eine Meldung des Karlsruher Tagblatts von Ende Juli 1859 über einen Vergnügungsausflug des Bürgervereins Karlsruhe per Schiff an die „Bell“ steht beispielhaft für einen mittlerweile wohl regeren Betrieb. Darüber hinaus förderte der neue und extra für Karlsruher Bedürfnisse angelegte Hafen Maxau ab 1862 und auf Kosten von Maximiliansau die Schifffahrt ab Karlsruhe. An der „Belle“ gab es aber noch weitere Aktivitäten. Mitte März 1861 kündigte die großherzoglich badische Bezirksforstei in der Karlsruher Zeitung eine Holzversteigerung am Rheinbauhäuschen an der „Belle“ an. Mitte Oktober 1865 war es die Wasser- und Straßenbauinspektion, die fürs Spätjahr die Abgabe von sehr schönen, drei- bis vierjährigen Bäumen aus Baumschulen in Neuburgweiher und der „Belle“ bekannt gab. Erwähnt wurden 400 Birn-, 600 Apfel- und 70 Nussbäume, die vom Rheinbauwächter vorgezeigt würden. Gänzlich anderen Charakter hatte das, was auch für die Jahre 1883, 1886 und 1893 belegt ist. Anfang Juli 1882 informierte das Karlsruher Tagblatt über kommende Militärschießübungen auf den Wiesen südlich Eggensteins zum Rhein hin. Es handele sich um eine Gefechtschießübung mit scharfen Patronen. Eingeschlossen seien die Teutschneureuter und Eggensteiner Gemarkungen. Das Terrain werde gesperrt. Betroffen sei dabei auch der von der „Belle“ über den Neupfortzer Kopf bis nach Eggenstein führende „Rheinweg“. Am 17. Juni 1883 brach der bekannte Karlsruher Ruderclub „Salamander“ vom Hafen Maxau gen „Belle“ auf. Nach der munteren Rheinfahrt mit Musik währte die Nachfeier des Stiftungsfests es an der „Belle“ drei Stunden weiter. Zurück ging es per Fuß nach Eggenstein und mit der Bahn nach Karlsruhe. Dies wirft ein Schlaglicht auf infrastrukturelle Veränderungen, die sich auch auf Ausflugsfahrten auswirkten.
Seit der Jungfernfahrt auf der Rhein- oder Rheintalbahnstrecke zwischen Mannheim und Karlsruhe am 4. August 1870 war der Eggensteiner Bahnhof eine Drehscheibe für den lebendigen Arbeits- und Privatverkehr. Schiff und flexiblere Bahn wurden bei Ausflügen häufiger kombiniert. Grundsätzlich aber bedeutete der Zugverkehr nicht zuletzt unter preislichen Aspekten eine starke Konkurrenz für die Schifffahrt.
Für einen Aufschwung an der „Belle“ steht, dass der Eggensteiner Krämer Karl Kollum aus der Wirtsfamilie des „Deutschen Kaisers“ im Juni 1886 beantragte, dort eine Badeanstalt aufstellen zu dürfen. Involviert ins „Belle“-Geschäft war auch sein Onkel, der Kaiserwirt Jakob Kollum. Karl Kollum sei ein angesehener und hoch verdienter Bürger gewesen, schrieb Heinrich-Wolfgang Kollum in der 1971 bei Esser in Bretten verlegten „Familiengeschichte Kollum“. Genannt worden sei er im Ort „Werner-Kolm“, habe den erlernten Schusterberuf nur kurz ausgeübt und nach seinem Kriegsdienst 1870/71 als Krämer einen „Spezerei“-Laden mit Schuhabteilung in seinem Haus in der Hauptstraße 71 eröffnet. Später verlegte er sein Geschäft an den Kirchenberg. Er war auch als Landwirt tätig und hielt sich oft am Rhein zum Fischen auf. Am „Belle-Hafen“ hatte er ein Fischwasser gepachtet. Seine Vorliebe für das Wasser und die Natur sei wohl auch der Anlass gewesen, dort eine Badeanstalt zu gründen, vermerkte Heinrich-Wolfgang Kollum. Es war das erste Bad in Eggenstein überhaupt. 1887 suchte er bereits um eine Vergrößerung nach, weil er sich dazu „von der hiesigen Einwohnerschaft genöthigt sehe“. Zu lesen ist im Familienbuch weiterhin, dass Karl Kollum die Badeanstalt 20 Jahre erfolgreich betrieben habe.
Ende Juli 1888 waren es Christine, Witwe des Brauhauswirts Ludwig Schnürer und der Brauer „Zur Krone“ Ludwig Bolz, die um die Erlaubnis zum Betrieb der Schankwirtschaft auf dem freien Platz an der „Belle“ nachsuchten. Wie auch Brauer Jakob Friedrich Schnürer II. waren durchweg Eggensteiner Wirte gewerblich an der „Belle“ aktiv. Wie die Wirtschaft aussah, eingerichtet war und wie viel Menschen sie beherbergen konnte, lässt sich schwer nachvollziehen. Vermutlich gab es auch Freiluftbewirtung. Mitte Mai 1890 kündigten Brauer Bolz und Lindenwirt August Schnürer per Anzeige eine Wirtschaftöffnung bei günstiger Witterung an. Die Bitte an Vereine und größere Gesellschaften, vorab Nachricht zu geben, spricht jedenfalls für eine gut gerüstete Gastronomie. Bei der Ankündigung seines sonntäglichen „Fulder-Ausflugs“ am 15. Juni 1890 versprach der „Liederkranz“ Karlsruhe seinen Mitgliedern gute Restauration und Musik an der „Belle“ nach der Fahrt mit einem reservierten Salondampfer ab Maxau. Für bequeme Rückfahrt sei ebenfalls gesorgt, wie im Karlsruher Tagblatt zu lesen war. Einen Monat später begab sich der Kaufmännische Verein „Merkur“ aus Karlsruhe ab Maxau auf seinen großen Ausflug zur „Belle“. Im August 1892 brachten die Vereinsmitglieder bei einer Wiederholungstour noch ein Dampfboot dorthin.
Im Mai 1894 war es dann Magdalena „Kaiserwirtin Jakob Kollum Witwe“, die die Erlaubnis für den Betrieb einer Schankwirtschaft ohne Branntweinausschank an der „Belle“ beantragte. Mit dabei war wieder Kronenwirt Brauer Bolz. Magdalena Kollum ergänzte, dass ganz in der Nähe des Platzes die Badeanstalt sei, die häufig von Ortseinwohnern und auch Ortsfremden besucht und benutzt werden. Insofern wäre es im Interesse des Publikums. Der Vereinsausflug des Karlsruher Arbeiter-Bildungsvereins zum 1. Mai 1895 gibt ein Beispiel dafür, dass Gruppen das Ziel auch ganz ohne Bootsfahrt per Zug ansteuerten. Besonders Wanderfreudige legten die Strecke von Karlsruhe zu Fuß zurück. Ob womöglich geschäftstüchtige Eggensteiner einen Transportdienst zwischen dem Ort und der „Belle“ anboten, ist nicht bekannt. Am 16. Mai 1895 empfahl „Frau Kollum Wwe.“ vom „Deutschen Kaiser“ per Anzeige in der „Badischen Presse“ Vereinen und größeren Gesellschaften die „Wirtschaft an der Belle“. Neben dem guten Lagerbier aus der örtlichen Brauerei „Krone“ führte sie bei den Speisen auch Fisch auf. Das Angebot galt bei entsprechender Vorbestellung auch für Werktage.
1896 wurde der Stein für Hochwasserstände an der „Belle“ erstellt, der in die aktuelle Auflistung von gemeindlichen Kleindenkmälern für das ab 2018 laufende Erfassungsprojekt des Landkreises Karlsruhe aufgenommen wurde.
Um 1896 war eine Zeit, in der sich wiederum infrastrukturell etwas bewegte. Am 2. Mai 1897 begann die „Dora“ ihre Lust- und Vergnügungsfahrten. Per Anzeige im Karlsruher Tagblatt informierte der Kaufmann Jakob Wegele darüber, dass das zwölfeinhalb Meter lange, 50 Personen fassende, sechs pferdige Benzinmotorboot im Hafen von Maxau eingesetzt worden sei. Von Nachmittags ab werde die „Dora“ ununterbrochen nach der „Belle“ hin- und zurückfahren. „Zur freundlichsten Benützung ladet ergebenst ein der Besitzer.“ Gleichzeitig warb für diesen Sonntag Witwe Kollum für ihre Wirtschaft mit Musik. Für einen vorzüglichen Stoff Bier aus der Brauerei Bolz sowie für gute Speisen sei reichlich gesorgt. Bolz selbst lud gleichzeitig noch Zugfahrende in seine Gartenwirtschaft „Zur Krone“ in Eggenstein. Der Pendeldienst kam so gut an, dass Wegele mit der „Maximilian“ noch ein zweites Motorboot einsetzte. Ende Mai zeigte er an, dass abermals beide Boote nach der „Belle“ fahren und zwar gleich nach der Zugankunft in Maxau nachmittags um halb drei, halb fünf und zuletzt um sechs Uhr. Wegele schaltete 1897 häufiger Zeitungsanzeigen. Anfang Juli 1897 wies er darauf hin, dass beide Boote jeden Sonntag und Mittwoch ab 15 Uhr nach der „Belle“ und zurück fahren. Offensichtlich waren die Vergnügungsfahrten Wegeles jedoch nur eine Episode und endeten allem Anschein mit Folgen für den „Belle“-Tourismus bereits schon mit Abschluss der Saison 1897. Sicher ist, dass Wegele später Probleme mit der „Dora“ bekam. Jedenfalls begann er, sich aufs Geschäft in 1901 eröffneten Karlsruher Rheinhafen zu konzentrieren. Daneben wurde 1902 berichtet, dass wegen des schmalen Stichkanals bei Karlsruhe regelmäßige Ausflugsfahrten mit den weiter gängigen, breiten Raddampfern Richtung Mannheim nicht mehr möglich waren. Erst als die Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrtsgesellschaft das 1928 vorgestellte Motorschiff „Freiherr von Stein“ für den Oberrheinverkehr beschafft habe, konnten nach Vermittlung des Verkehrsvereins wieder vergleichbare Fahrten angeboten werden. Otto Bräunche führte das in seinem Buch „Rheinhafen Karlsruhe 1901-2001“ aus.
Mit
dem Rheinhafen verlor der Hafen Maxau 1901 seine Bedeutung. Bis September 1901
hatte Wegele die „Dora“ ein halbes Jahr lang für Rundfahrten im Karlsruher
Hafen ans Hafenamt vermietet. Als das Amt den Vertrag wegen schlechter Manövrierfähigkeit
des Boots auflöste, übernahm Wegele die Fahrten selbst. Zusätzliche
Ausflugfahrten aber bot er lediglich bis Maxau an, wie Zeitungsannoncen dokumentieren.
Die wurden ihm aber ab 1908 wegen Betriebsuntauglichkeit der „Dora“ untersagt.
Nach Ablauf der Sommersaison 1910 zog die Rheinbauinspektion das Boot deswegen
ganz aus dem Verkehr. Danach übernahm die Stadt Karlsruhe 1913 selbst die
Personenbeförderung mit dem Motorboot „Rhein“. Die
Rheinwaldungen steuerte der Gartenbauverein Karlsruhe im Mai 1906 am Himmelfahrtstag
per Bahn nach Eggenstein an. Die Restauration auf der „Belle“ wurde damals noch
aufgeführt. Zu Fuß nach Eggenstein unternahm der Sängerbund „Vorwärts 1890
Karlsruhe“ 1910 seinen Maiausflug zur „Belle“ mit Picknick vor Ort. 100 Personen
folgten trotz starken Regens dem Aufruf und gaben sich dem bunten Treiben mit
Musik und Gesang an der „Belle“ hin. Lammwirt Ludwig Endle aus Eggenstein sorgte
fürs leibliche Wohl. Zurück ging es wie bei der nächsten Tour im Mai 1911 mit
dem „Dampfross“. Mit dabei waren damals 300 Leute. Wie des SPD-Blatt
„Volksfreund“ berichtete, habe nicht nur am Ufer, sondern auch auf dem Wasser reges
Leben geherrscht. In nur zwei Stunden habe man zehn Dampfer den Rhein hinauf
fahren gesehen, was der Jugend kolossal Freude bereitet hätte. Ende
April 1913 zogen die Naturfreunde Karlsruhe über Neureut und den Bodensee zur
„Belle“. Ende Juni des Jahres veröffentlichte der „Volksfreund“ einen Beitrag
über „Städtische Motorbootfahrten“. Mit dem Motorboot „Rhein“ seien im ersten Betriebsmonat
Mai 5189 Personen befördert worden, hieß es. Im laufenden Monat seien
Sonderfahrten ausgedehnt worden auf weitere Punkte. Ein Karlsruher Verein habe
etwa eine gut gelungene Fahr zur „Bell“ unternommen. Nunmehr erwarte man
allgemein eine Steigerung des Verkehrs. Der Artikel legt nahe, dass es zuvor
eine Pause bei Bootsfahrten und einen Rückgang beim „Belle“-Tourismus` gab. Eine
Bestätigung lieferte dafür im Mai 1914 der „Badische Beobachter“. Motorboothafen
im Hafen fänden immer mehr Anklang, war da zu lesen. Dies sei verständlich,
weil sich damit auch schöne Ausflüge in die Rheinwaldungen verbinden ließen. Eine
große Erleichterung dürfte der Ausflugsverkehr im Verlauf des nächsten Jahres durch
den Ausbau des Straßenbahnnetzes erwarten, so die Zeitung. Damit dürften
Gebiete bis zur „Belle“ wieder zu beliebten Ausflugsplätzen der Karlsruher
werden.
Auffällig
ist, dass die Karlsruhe Presse durchweg Ausflüge von Karlsruhern vermeldete und
nicht einheimische Aktivitäten an der „Belle“.
Der 95jährige Eggensteiner und
einstige Fortrevierleiter im Hardtwald, Wilhelm Knobloch, erinnert sich daran,
dass es früher Bürger und Vereine aus dem Ort an Karfreitag zur „Belle“
wanderten. Zum Essen sei es dann später weiter nach Leopoldshafen gegangen.
Denn in Eggenstein hatten die Lokale an dem Feiertag offensichtlich
geschlossen. Der Erste Weltkrieg und seine gesellschaftlichen Folgen brachten
nicht allein im Ausflugsverkehr Einbrüche. Hinweise ergaben sich erst wieder danach
wie etwa ein „Belle“-Ausflug des Naturheilvereins Karlsruhe im Oktober 1921. Kunde
davon, dass sich am Ort noch Anderes Tat, gab Ende März 1922 der „Volksfreund“.
Aus „Anglerkreisen“ ging bei der Zeitung eine Bitte an die Rheinbauinspektion
ein. Auf der Strecke von der „Belle“ bis zum „Steineck“ an der Albmündung sei
vor einigen Jahren an drei Stellen der Rheindamm durchbrochen worden, damit das
Altwasser einen besseren Abfluss erhalte. Zwei Durchbrüche in der Nähe der
„Belle“ hätten nun betonierte Brücken erhalten. Nur der Durchbruch annähernd
beim „Steineck“ sei noch offen geblieben, wurde von den Anglern moniert. Es
handle sich um einen der besten Anglerplätze. Notdürftig hätten sich die Angler
vor drei Jahren mittels Weidenstämmen einen Übergang geschaffen. Dieser aber
sei äußerst lebensgefährlich. Die Bitte um einen Übergang wurde nie erfüllt.
Auch das Argument, dass der Kostenpunkt gegenüber den aktuell fortlaufenden
Dammarbeiten ein geringer sei, fruchtete nicht.
Ein
historisches Foto im Gemeindearchiv Eggenstein-Leopoldshafen aus dem Jahr 1920
zeigt die „Belle“ vom Wasser aus mit Pappel sowie links davon einem Häuschen
sowie etwas rückversetzt einem Schuppen. Es dürfte sich um Relikte des Restaurationsbetriebs
handeln. Auf einem weiteren Foto aus dem Jahr ist das kleine Rheinhäuschen
verschwunden. 1922 sollte ein besonderes Jahr werden.
Mitte Mai referierte das Karlsruher Tagblatt über einen Lichtbildervortrag beim
Verkehrsverein Karlsruhe. In der Würdigung heimischer Naturflecken wurde die „Belle“
als hübsches Waldplätzchen aufgenommen. Vorbei an einer umzäunten Anpflanzung
mit Hütte habe man dort freien Ausblick auf den Rhein. Erwähnt wurden interessante
Wasserstandsmarken auf Denkstein neben einer großen kanadischen Pappel. Diese Wahrzeichen der „Belle“ aber
sollte bald danach von Sturm und Blitz gefällt werden. Bereits zuvor hatte
Sturm dem Baum stark zugesetzt, wie der Botaniker Ludwig Klein in seinem 1908
veröffentlichten forstbotanischen Merkbuch „Bemerkenswerte Bäume im
Großherzogtum Baden“ ausführte. „In den Rheinwaldungen finden sich stattliche
Schwarzpappeln (Populus nigra) in Menge. Von hervorragend starken Bäumen ist
mir aber nur ein einziger bekannt, die sogenannte Belle am Rheinufer bei
Eggenstein“, so Klein. Es sei „ein gewaltiger Baum von etwa 30 Meter Höhe und
5,76 Meter Stammumfang. Durch einen schweren Sturm im Frühsommer 1905 hat der
Baum eine ganze Anzahl starker Äste verloren.“. Das Aufsehen erregende Ereignis
des endgültigen Falls des Baums 17 Jahre später hat der Eggensteiner Fritz
Köhler Ende 1922 in Poesie gefasst. Inhaltlich sind die Verse ergiebig. Nur
noch Sumpf sei am Standort des ehrwürdigen Baums geblieben, der jahrhundertlang
dem Wetter getrotzt habe. Sieben Mann hätten ihn kaum umspannen können. Zuletzt
aber sei die Pappel nur noch Rinde und Splint gewesen. Zerrissen vom Sturm habe
der gewaltige Recke und einstige Stolz des Waldes am kleinen Hafen an der
linken Ecke gelegen. Er habe noch einige andere Bäume mitgerissen. Köhler war
einer der sechs Männer, die die Pappel bei acht Klaftern Holz ohne Stumpf
mühsam zerkleinerten. Köhler nahm ebenso auf, dass der Platz als Ausflugsort
bekannt war und dort manch großes Fest gefeiert wurde. Manches Liebespaar habe
sich einst im Schatten des Baums geküsst. Hermine
Maier-Heuser malte Ende Mai 1924 im Karlsruher Tagblatt unter „Wandern und
Reisen“ in blumigen Worten die Schönheit der Natur aus mit der Sehnsucht, dass
das massive Hochwasser bald weichen möge. Ihrem Text ist auch zu entnehmen,
dass die große Belle bis zu ihrem Fall der Sammelplatz tanzfroher Jugend war.
Mitte Mai 1926 wurde im Botanischen Institut der Technischen Hochschule
Karlsruhe bei einem Lichtbildervortrag der Bergwacht Schwarzwald die einstige
„Belle“ in eine Reihe seltener Naturdenkmäler gestellt. Ins Schwärmen kam der
Autor eines Sonntagsbeitrags „Badischen Presse“ von Anfang August 1928. Zwei
Stunden schier ziehe sich der Kleine Bodensee hin bis nach Eggenstein. Dorthin,
wo einstmals die große Belle stand, eine vierhundertjährige, breitkronige
Pappel. Rauschend vermähle sich hier dies grandiose Altwasser mit dem Rhein. Es
sei ein Segen, dass auch Karlsruhe seine Ruheort habe in seinen Rheinwäldern,
in den idyllischen Altwässern, an den Ufern und in und auf den Wassern seines
Rheins. Doch sollten alle diese Schönheiten eine Quelle der Volksgesundheit sein,
vermerkt der Autor, dann müssten sie gepflegt, erhalten, geschützt und
erschlossen werden. Sollte das Volk Besitz ergreifen von der wundervollen
Landschaft, müssten schattige Wege ins Grün führen und billige Gelegenheit zum
Hinauskommen geschaffen werden.
Allerdings
war die Zeit zumindest für größere Ausflugsfahrten nicht günstig. In Karlsruhe
gab es Probleme beim Schiffspersonenverkehr. Mit der Weltwirtschaftskrise 1930
gingen die Fahrgastzahlen deutlich zurück. 1931 kam das Ausflugsangebot zwischendurch
zum Erliegen. 1929 bis 1935 hatte die „Enderle von Ketsch“ immerhin ein
gewisses Angebot an Ausflugsfahrten aufrecht erhalten. Ab 1937 unternah das Motorschiff
„Viktor von Scheffel“ wenig erfolgreich Ausflugsfahrten bis nach Worms. Mit dem
Kriegsausbruch endete der Personenverkehr in Karlsruher Hafen. Letzte Fernfahrten
gab es ab Juni 1939. Ein wesentlicher Grund war, dass die Franzosen Treibminen aussetzten.
An der „Belle“ hatten sich allerdings auswärtige Gruppen schon länger rar
gemacht. Anfang August 1944 war es etwa der Schwarzwaldverein Karlsruhe, der
bei seiner Nachmittagswanderung von Leopoldshafen aus an der „Belle“ Station
machte.
Im Gemeindearchiv Eggenstein-Leopoldshafen fand sich der Hinweis, dass im Rhein bei der „Belle“ an einem Platz vom Ausfluss des „Bellehafens“ in den Rhein etwa 100 Meter aufwärts gebadet wurde. Die Gemeinde bat 1940 um eine Genehmigung als Freibadeplatz. Zu hören war jetzt, dass sich der Badebetrieb an einen Platz Richtung Fischerheim verlagerte und es nach dem Krieg an der „Belle“ keinen mehr gegeben haben soll.
Die „Lyra“ nahm ihre Vereinsaktivitäten nach dem Krieg 1946/47 wieder auf. Im Archiv von Kurt Kiefer findet sich für 1952 noch ein Dokument, das auf ein sehr wahrscheinlich an der „Belle“ stattfindendes Fest der „Lyra“ am 20. Juli hinweist. In einem Brief an den Vorstand zu Händen von Albert Schnürer erklärt sich die Brauerei bereit, die Veranstaltung mit Bier und Gerätschaften zu versorgen. Die Preise für jeweils einen Hektoliter bezifferten sich bei Lagerbier auf 68 Mark, bei Exportbier auf 78 Mark. Das Eis lieferte „Fels“ dieses Mal umsonst. Geliefert wurde 35 Garnituren von Festmöbeln mit Klapptischen und Bänken für 350 Leute. Die Bellefeste der „Lyra“ haben bis heute Bestand und Ausflügler zieht es auch aus der Umgebung nach wie vor per Rad, zu Fuß oder bis zum Parkplatz mit dem Auto zur „Belle“. Am 1. Mai 2019 strömten die Menschen scharenweise bei erstmals seit Längerem wieder frühsommerlichem Wetter zum Bellefest.
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