Umstellung Kameralistik auf Doppik

2018 war der letzte kamerale Haushalt. Mit der Einbringung des Haushalts 2019 ist der Umstieg auf die Doppik erfolgt. Aufgrund damit einhergehender veränderter Rahmenbedingungen sind die Haushalte ab 2019 nur schwer mit den vorherigen vergleichbar.

Was muss der interessierte Leser beim doppischen System betrachten, um die finanzielle Situation der Gemeinde zu beurteilen im Vergleich zur Kameralistik?

1. Kennzahl in der Kameralistik

Zuführungsrate Verwaltungshaushalt an Vermögenshaushalt

Dieser Wert stand für den Betrag, der als Überschuss des laufenden Geschäftsbetriebs für Investitionen zur Verfügung gestellt werden konnte. Nach unserer strategischen Zielplanung sollte dieser jahresdurchschnittlich mindestens die Höhe der Abschreibungen erreichen, da diese den Wertverlust des gemeindlichen Vermögens durch Alterung repräsentieren.
Die Zuführungsrate der 7 Jahre vor der Doppik war regelmäßig höher als die Zielgröße von ca. 3 Millionen Euro. In den durch die Finanzkrise negativ beeinflussten Jahre von 2009 bis 2011 betrug sie allerdings nur ca. 2,0 – 2,5 Millionen Euro.

Das Pendant zum Verwaltungshaushalt ist der Ergebnishaushalt, gleichzusetzen mit G+V (Gewinn- und Verlustrechnung) der Privatwirtschaft. Hier werden alle Erträge und Aufwendungen gegenübergestellt und im Unterschied zu früher müssen nun auch die Abschreibungen durch die Erträge tatsächlich verdient werden.
Das Gesamtergebnis sollte möglichst positiv sein. Sollte dies dauerhaft nicht gelingen, hat die Gemeinde ein Problem, das über kurz oder lang die Rechtsaufsicht mit der Forderung nach Haushaltskonsolidierung auf den Plan ruft.

Zusammengefasst:
Ziel: Gesamtergebnis des Erfolgshaushalts > 0
Im Plan 2019 mit +742.000 Euro erreicht,
entspräche in der Kameralistik:
Gesamtergebnis + Abschreibungen (neu) = Zuführungsrate (alt)
Im Plan 2019: 3.316.000 Euro
Im Vergleich dazu Planansätze 2016 mit 343.000 Euro, 2017 mit 777.000 Euro, 2018 mit 1.890.000 Euro.

2. Kennzahl Zuführung bzw. Entnahme aus den Freien Rücklagen

Als Saldo aus den Ausgaben für Investitionen und den dafür zur Finanzierung zur Verfügung stehenden Mitteln im Vermögenshaushalt.
Wesentliche Faktoren waren die obige Zuführungsrate, die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen und eingenommene Fördermittel sowie auf der anderen Seite die Gesamtausgaben für die geplanten Investitionen. Reichen die laufenden Finanzierungsmittel nicht aus und hat die Gemeinde keine Reserven, muss sie Kredite aufnehmen.  
Wir wollten dauerhaft, anders als in den Eigenbetrieben, im Kernhaushalt keine Kreditfinanzierung für den gemeindlichen Leistungsbereich, für den es keine kostendeckenden Einnahmen gibt, z.B. Kinderbetreuung, Schulen, Sport- und Kulturhallen, technische Infrastruktur etc., da die Defizite aus allgemeinen Steuereinnahmen zu decken sind. Deshalb haben wir in guten Jahren Überschüsse angesammelt, um sie - wenn große Maßnahmen anstehen - für deren Finanzierung einsetzen zu können. Kurz: in guten Jahren für schlechte sparen.

Für den Vermögenshaushalt gibt es in der Doppik den Finanzhaushalt. Der Finanzhaushalt stellt die geldwerten Einnahmen und Ausgaben gegenüber und weist unter dem Strich einen Finanzmittelüberschuss oder einen Finanzmittelbedarf aus.

Der Finanzhaushalt repräsentiert die privatwirtschaftliche Liquiditätsrechnung, also die Frage: „Wie kann ich meine Ausgaben durch Einnahmen finanzieren?“ 
Der Finanzmittelbedarf bzw. –überschuss gibt demzufolge Antwort auf die Frage, ob Investitionen eines Haushaltsjahres auch aus Mitteln desselben finanziert werden können.

In der Kameralistik war dies direkt an der Zuführung bzw. Entnahme der Rücklagen ablesbar.

Der Finanzmittelbedarf soll aus verfügbaren liquiden Mitteln gedeckt werden, bei Überschuss diese vermehren. Darüber hinausgehend das so genannte Basiskapital in der Bilanz (besser bekannt als Eigenkapital) schmälern bzw. erhöhen.
Sind keine liquiden Mittel vorhanden, müssen Kredite aufgenommen werden.

Zusammengefasst:
Ziel: Kreditaufnahme im Finanzhaushalt = möglichst keine   
Im Plan 2019 erreicht. Keine Kreditaufnahme.
Ziel: Finanzmittelbedarf = möglichst gering  
Im Plan 2019: -2.500 Euro 
entspräche in der Kameralistik:
Finanzmittelbedarf = Entnahme aus den Freien Rücklagen
Im Plan 2019: -2.500 Euro 
Im Vergleich dazu Planansätze 2016 mit -5.917.000 Euro, 2017 mit -4.463.000 Euro, 2018 mit -8.105.000 Euro 
IST-Ergebnis: 2016 mit -777.000 Euro, 2017 mit +3.723.000 Euro, 2018 mit -3.800.000 Euro

3. Kennzahl Bestand Freie Rücklagen sowie Kredite

In der Kameralistik bestanden Vorgaben, die nach dem öffentlichen Haushaltsrecht einzuhalten waren. Zum einen dürfen Kredite nur für Investitionen aufgenommen werden, nicht aber zur Deckung laufender Ausgaben, und dies nur solange wie Zins und Tilgung aus Eigenmitteln bestritten werden können.

Zum anderen musste eine Mindestrücklage zur Liquiditätssicherung gehalten werden, die 2% des durchschnittlichen Verwaltungshaushaltsvolumens umfasste.  
An diesen Vorgaben hat sich auch im NKHR dem Grunde nach nichts geändert.
Die bisherigen Freien Rücklagen werden jedoch nicht mehr gesondert ausgewiesen, sondern sind im Basiskapital der Bilanz enthalten und können andererseits aus dem Bestand an flüssigen Mitteln, also Kassenbestand und kurzfristig verfügbaren Finanzanlagen abgelesen werden.
Erst in Zukunft werden dann jährliche Überschüsse des Erfolgshaushalts in der Bilanzposition Rücklagen (als zusätzliches Eigenkapital) ausgewiesen.

Unsere strategische Zielplanung strebt Freie Rücklagen in Höhe des 2-3-fachen Investitionsvolumens eines durchschnittlichen Haushaltsjahres an. Dies konnte in den vergangenen Jahren erreicht werden.
Kredite im Kernhaushalt wurden in den vergangenen 20 Jahren nicht benötigt. Lediglich im Jahr 2015 nutzte die Gemeinde die Gelegenheit die Flüchtlingseinrichtung in der Kruppstraße mit einem zinslosen Förderdarlehen zu finanzieren.

In der Eröffnungsbilanz wird unser Anlagevermögen weit über 100 Millionen Euro betragen. Angesichts des zinslosen Kredits mit einem Restwert von 1,8 Millionen Euro zum 01.01.2019 wird unsere Eigenkapitalquote nahezu 100% betragen.

Zusammengefasst: 
Kredit Jahresendstand 2019: ca. 1.800.000 Euro
Liquide Finanzmittel 2019: ca. 13.700.000 Euro
entspräche in der Kameralistik:
Liquide Finanzmittel = Freie Rücklagen   
im Plan 2019: ca. 13.700.000 Euro
Im Vergleich dazu Planansätze: 2016 mit 10.633 .000 Euro, 2017 mit 11.311.000 Euro, 2018 mit 11.392.000 Euro
IST-Ergebnis: 2016 mit 15.774.000 Euro, 2017 mit 19.497.000 Euro, 2018 mit 15.697.000 Euro.

Ausführungen von Bernd Stober, Bürgermeister, Stand 12.02.2019